Lass uns das heutige Interview mit einem kleinen Experiment beginnen: Schließe 30 Sekunden lang Deine Augen und stelle Dir einen typischen Geschäftsführer vor.

  • Was hat er an?
  • Wie groß ist er?
  • Welche Frisur hat er?
  • Wie alt ist er?

Jetzt sind wir neugierig. Hast Du Dir eine Frau oder einen Mann vorgestellt? Möglicherweise denkst Du jetzt:

Natürlich habe ich mir einen Mann vorgestellt. Ihr habt gesagt ich soll mir einen Geschäftsführer vorstellen und keine Geschäftsführerin.

Wir könnten dann lang und breit argumentieren, dass die Formulierung Geschäftsführer das generische Maskulin ist, das auch Frauen miteinschließt. Doch das wollen wir gar nicht. Wir wollen heute lieber mit einem Unternehmer sprechen, der eine Unternehmensgruppe mit mehreren Unternehmen führt und in der Realität nur männliche Geschäftsführer hat. Heute geht es uns darum herauszufinden, woran das liegt.

Der Unternehmer, mit dem wir heute sprechen ist Stefan Brand. Er leitet seit 2006 das Familienunternehmen Gastrotechnik Brand, dass Standorte in Thüringen und Sachsen hat und dank diesen Kunden in ganz Deutschland betreut.

Wer ist Stefan Brand?

M: Nicht all unsere Leser kennen Dich Stefan, kannst Du uns daher bitte kurz verraten, wie Du zum Geschäftsführenden von Gastrotechnik Brand wurdest?

S: Ich kam 2003 als ganz normaler Angestellter ins Unternehmen. In der Rolle als Angestellter lernte ich das Unternehmen von Grund auf zu verstehen. Ich erlernte jeden Arbeitsgang, kam mit Kunden in Kontakt und lernte das Team kennen.

Rainer Brand, der das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt leitete, gab irgendwann bekannt, dass er plane sich zur Ruhe zu setzen. Nach einer längeren Nachfolgersuche kam Rainer auf mich zu. Ich dachte nicht groß nach und sagte zu, obwohl er klar und deutlich zu verstehen gab, dass ich als Schwiegersohn sein Unternehmen erst leiten dürfte, wenn ich es in und auswendig kenne. Weil ich bereits sechs Jahre Teil der Familie war, ging es um eine klassische Nachfolge, das bedeutet um einen Verkauf innerhalb der Familie. Ich hatte also zwei Hürden zu nehmen:

  1. Ich musste mich innerhalb des Unternehmens beweisen.
  2. Ich musste die finanzielle Verpflichtung eingehen ein Unternehmen zu kaufen.

Da ich bereit war dies auf mich zu nehmen, konnte Rainer sicher sein, dass ich die ganze Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen würde.

Ich nahm mir Rainers Unternehmen zu Herzen und arbeitete Tag und Nacht. Es ging mir dabei nicht nur darum meinem Schwiegervater etwas zu beweisen, sondern vor allem darum so schnell wie möglich meinen Beitrag dazu leisten zu können, dass er nach über zwei Jahrzehnten Firmenleitung endlich seinen Ruhestand genießen kann. Rainer sah mein Engagement, stellte mich immer wieder auf die Probe und beschloss 2006, dass ich der Herausforderung gewachsen sei, sein Unternehmen zu kaufen und zu leiten.

Warum gibt es keine weiblichen Führungskräfte?

M: Warte, Du möchtest also sagen, dass Du die Unternehmenstradition “keine Frauen als Geschäftsführende” von Rainer Brand übernommen hast?

S: Ohne die Hintergrundinformationen zu kennen, schaut es fast so aus, oder? Dem war und ist nicht so. Der Grund dafür, dass ich Geschäftsführer und nicht meine Frau Geschäftsführerin wurde, ist die Tatsache, dass sie damals ihren sicheren Traumjob mit festen Arbeitszeiten nicht zugunsten einer Selbstständigkeit aufgeben wollte, die sie rund um die Uhr fordern würde. Als ich meine Frau heiratete, gab ich übrigens meinen „Mädchennamen“ Täfler auf und nahm aus vielen guten Gründen ihren Namen an. Ein Grund war, dass meine Frau eine tiefe emotionale Bindung an ihren Familiennamen hatte und hat. Ein Doppelname ging in ihren und meinen Augen gar nicht und so tat ich das einzig vernünftige in dieser Situation: Aus Stefan Täfler wurde Stefan Brand.

Der Grund, dass heute keine einzige Frau ein Unternehmen der Gastrotechnik Brand Gruppe leitet, hängt mit der Art und Weise zusammen, wie Mitarbeitende in meinem Unternehmen zu Standortleitenden werden.

M: Ich bin gespannt. Wie wird man bei Gastrotechnik Brand zur Standortleitenden?

S: Was mein Unternehmen ausmacht, ist seine Kultur. Rainer hat eine großartige Basis für die Kultur geschaffen, die wir heute in unserer Unternehmensgruppe haben. Rainer hat das Unternehmen Gastrotechnik Brand mit den Führungsmethoden seiner Zeit aufgebaut. Ich habe diese in den letzten Jahrzehnten gemeinsam mit meinen Mitarbeitern gepflegt und weiterentwickelt. Für mich stehen

  • die Menschen, die im Unternehmen arbeiten,
  • ihre Zusammenarbeit und
  • das Vertrauen im Team

ganz oben. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Dinge das Fundament unseres Erfolges sind, und daher tue ich im Alltag alles dafür diese Werte zu schützen.

Da ich nicht überall gleichzeitig sein kann (und es auch gar nicht will), muss ich darauf vertrauen können, dass jeder meiner Standortleitenden diese Werte ebenso schützt, wie ich es tue. Damit sie dies tun können, müssen sie die Werte erleben und verinnerlichen. Der beste Weg, den ich kenne, um dieses Ziel zu erreichen ist der den ich selbst gegangen bin, daher durchlaufen alle Standortleitenden bei Gastrotechnik Brand den gleichen Weg, den ich durchlaufen habe.

Wer sind die aktuellen Standortleiter?

M: Das bedeutet jeder Deiner Standortleitenden hat ganz unten angefangen und sich hochgearbeitet?

S: Ja, ganz genau. Aktuell gibt es neben mir 3 weitere Standortleitende bei Brand/Blechschmidt:

  • Lutz Fischer ist unser Erfurter Standortleiter
  • Steffen Gloge ist unser Leipziger Standortleiter
  • Sandro Hahn ist unser Niederlassungsleiter in Dresden. Dieser Standort ist seit 2018 Teil der Unternehmensfamilie. Seitdem nenne ich beide Unternehmen, also Gastrotechnik Brand und Schankanlagen Blechschmidt, gern in einem Atemzug Brand/Blechschmidt, weil ich die Tradition des Dresdner Standortes wertschätzen und gleichzeitig die Familienzugehörigkeit betonen möchte. Privat sind mir Doppelnamen ein Graus, unternehmerisch finde ich sie in diesem Fall großartig.

Lutz und Sandro durchliefen genau meinen Weg:

Lutz fing, nachdem er 25 Jahre lang wertvolle Erfahrungen in einem anderen Unternehmen gesammelt hatte, bei Gastrotechnik Brand in der Eventvorbereitung an und arbeitete sich binnen drei Jahren zum Standortleiter empor.

Sandro begann 2009 als Monteur bei Schankanlagen Blechschmidt und wurde 2018 Standortleiter in Dresden, wo er sich der Aufgabe stellte, unsere kaum ein halbes Jahrhundert alte Firmenkultur mit der über 150 Jahre alten Firmenkultur unseres Dresdener Standortes harmonisch zu vereinen.

Auch Steffen, der, bevor er zu uns kam, fast zwei Jahrzehnte Branchenerfahrung auf dem Buckel hatte, arbeitete sich im Grunde genommen von ganz unten nach ganz oben. Dass er vom ersten Tag Standortleiter war, ist der Tatsache geschuldet, dass er 2013 unser einziger Mitarbeiter in Leipzig war. Zudem war er der Einzige in der Firma, der das Knowhow mitbrachte, einen Standort von Null aufzubauen. Er war das Team und so musste er jeden Job machen, der an seinem Standort zu erledigen war.

Diese drei Mitarbeiter sind heute Standortleitende bei Brand/Blechschmidt, weil sie das werden wollten und/oder weil ihr Team, das wollte. Niemand muss bei uns Führungskraft werden wollen. Jeder Mitarbeitende ist wichtig. Wenn jemand einen 8 Stunden Job braucht, weil er Zeit für seine Familie oder Hobbys braucht, dann kann er bei uns genau einen solchen 8 Stunden Tag haben. Diese Mitarbeitenden sind am Kunden Gold wert, da Kunden über Jahre den gleichen Ansprechpartner haben und so nie das Gefühl bekommen, bei uns nur eine anonyme Nummer zu sein.

Doch egal was ich mache: Wir sind in der Gastronomiebranche tätig. Wenn jeder bei Brand/Blechschmidt immer auf den 8 Stunden Tag beharren würde, würden wir in der Hochsaison nicht immer alles schaffen. Daher brauchen wir auch Mitarbeitende die gern mal eine gewisse Zeit Mehrarbeit leisten, um diese hier angesammelten Überstunden zu einem späteren Zeitpunkt „abbummeln“ zu können. Wer mehr Geld braucht, kann sich die Überstunden natürlich auch auszahlen lassen. Ein Verfallen von Überstunden von Mitarbeitenden gibt es bei uns nicht.

Wie schaut es mit Frauen bei Gastrotechnik Brand aus?

M: Gibt es eigentlich gar keine Frauen in Deinem Unternehmen?

S: Oh doch, die gibt es. Sie sind nur in der Minderzahl und nur im Büro. Die großartige Maria rockt unser Dresdner Büro und in Erfurt sorgen Kathleen und Birgit dafür, dass der Papierkram erledigt wird. Doch das ist nur das, was sie auf dem Papier leisten. Diese Frauen sind oft Problemlöser, die uns den Du-weißt-schon-was retten, weil sie Dinge auf dem Schirm haben, die der Rest der Mannschaft nicht einmal wahrnimmt.

Ganz ehrlich ich glaube, ohne diese drei Frauen wären wir verloren. Liebe Maria, Liebe Kathleen, Liebe Birgit, wenn ihr das lest: ihr seid großartig.

M: Warum bist Du nicht schon früher tätig geworden und hast Dich für mehr Frauen in Deinem Unternehmen stark gemacht?

S: Ich glaube der Hauptgrund ist schlicht und einfach: Ich habe darüber nicht nachgedacht. Geschlecht war für mich kein Thema. Und wo ich das sage, wird mir mein Alter-Weißer-Mann-Filter (also all meine Privilegien, die ich im Alltag genieße, weil ich männlich und weiß bin) mal so richtig bewusst. Mein Fokus lag in den letzten Jahren darauf das Unternehmen zu entwickeln und es durch die immer wieder aufkommenden turbulenten Zeiten zu führen. Daher habe ich

  • Projekte auf den Weg gebracht
  • Meine Mitarbeitenden gefördert
  • Innovationen entwickelt

Das Thema Frauen hatte ich nicht auf dem Schirm. Doch Teammitglieder wie Ralf Genzel, der seit 2022 für unser Unternehmen arbeitet, haben nicht lockergelassen und das Thema immer wieder angesprochen.

Somit steht das Thema nun seit einiger Zeit auf meinem Zettel. Ich glaube mein Unternehmen hat alle Elemente, die es braucht, um Frauen in Führungspositionen zu bringen. Wir haben eine offene Kommunikationskultur. Jeder Mitarbeiter kann zu mir kommen und sich mit Problemen und Fragen an mich wenden. Ein „Hey, ich würde mich beruflich gern weiterentwickeln, was kann ich tun?“ stößt bei mir genauso auf offene Ohren wie ein „Ich brauche mehr Zeit für die Familie und würde gern meine Stunden reduzieren.“

Strukturell unterstütze ich jeden Mitarbeitenden so gut ich kann, wenn es der Alltag zulässt. Dem einen halte ich bzw. seine Führungskraft den Rücken frei, den andern unterstützen wir mit Weiterbildungen und auf Wunsch auch gern Coachings bei der Weiterentwicklung seiner Führungsfähigkeiten.

Doch wie wir an der aktuellen Geschlechterverteilung in meinem Unternehmen sehen, braucht es ganz offenbar mehr als diese fördernden Strukturen, damit wir mehr Frauen in Führungspositionen bekommen. Der Flaschenhals befindet sich meiner bescheidenen Meinung nach nicht in meinem Unternehmen, sondern davor.

Wie kommt Gastrotechnik Brand an Bewerberinnen?

M: Wie meinst Du das?

S: Nun, die meisten Mitarbeitenden in meinem Unternehmen sind Reiniger oder Techniker für Schankanlagen. Bevor sie sich bei uns bewerben, durchlaufen sie eine Ausbildung. In Deutschland absolvieren weniger Frauen eine Ausbildung als Männer. 2022 gab es laut dem Statistischen Bundesamt etwas mehr als 1,2 Millionen Auszubildende in Deutschland. Nur etwas mehr als 420.000 dieser Auszubildenden waren Frauen. In handwerklichen Berufen ist dieser Unterschied noch drastischer. Hier befanden sich unter knapp 350.000 Auszubildenden lediglich knapp 60.000 Frauen.

In Folge dessen bewerben sich kaum Frauen auf unsere Techniker und Reiniger Stellenausschreibungen.

M: Und nun?

S: Nun, ich bin Unternehmer. In meinem Verständnis ist ein Unternehmer jemand, der etwas unternimmt. Ich stelle mir also die Frage: „Was kann ich, was kann mein Unternehmen tun, damit sich mehr Frauen bewerben?“

Dieses Interview ist ein erster Schritt, um Frauen in unsere Führungspositionen zu bekommen. Denn dieses Interview soll sichtbar machen, dass wir etwas ändern wollen und die Gründe für unseren Wunsch aufzeigen. Wir müssen und wollen keine Quote erfüllen. Wir glauben schlichtweg daran, dass ein Unternehmen wie Brand/Blechschmidt von den unterschiedlichen Perspektiven profitiert, die entstehen, wenn eine Belegschaft diverser ist. Wir wollen diese unterschiedlichen Perspektiven in unserem Unternehmen und sind bereit Aufwand auf uns zu nehmen, um diese zu gewinnen.

Ein nächster Schritt für mehr Frauen in unseren Führungspositionen ist es unsere Mitarbeitenden auf unserer Webseite sichtbar zu machen. Wenn jeder Techniker und Reiniger die Gelegenheit bekommt zu erzählen, was er an seinem Job liebt, hoffe ich, dass sich mehr Frauen für die Ausbildung entscheiden, weil sie erkennen, dass es kein stumpfer langweiliger „Männerjob“ ist. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, ist Schanktechnik unglaublich innovationsgetrieben. Immer mehr Schankanlagen haben integrierte Computer, die Schankverluste minimieren, Arbeitsabläufe optimieren und beschleunigen oder teilautomatische Reinigungen durchführen. Zudem kann Schanktechnik unfassbar ästhetisch sein. Nicht selten lassen wir für unsere Kunden individuelle Schanksäulen fertigen, die im Gastraum ein echter Blickfang sind. Was alles möglich ist, bzw. was unsere Mitarbeiten für unsere Kunden in der Vergangenheit möglich gemacht haben, zeigt die Referenzen auf unserer Webseite.

Natürlich weiß ich, dass diese zwei Maßnahmen wahrscheinlich nicht reichen werden, um unser Ziel zu erreichen. Sie sind wie bereits gesagt die ersten Schritte, die am Ende mit richtig viel Glück dazu führen, dass ich mein Unternehmen irgendwann in die Hände einer Frau geben und mich entspannt zur Ruhe setzen kann. Ich für meinen Teil bin gespannt, wem ich das Unternehmen Brand/Blechschmidt übergeben werde. Wird es ein „Stefan“, oder eine „Stefanie“ werden? Die Zeit wird es zeigen.

M: Was für ein schönes Schlusswort für dieses Interview. Stefan, wir danken Dir für Deine Zeit und wünschen Dir, Deiner Unternehmensgruppe und Deinen Mitarbeitenden viel Erfolg.

S: Ich danke Euch und bin gespannt, was wir auch dank Eurer Hilfe in Zukunft in diesem Bereich erreichen werden.